Im Zuge der immer mehr zunehmenden Bebauung freier Parzellen stellt sich gerade im Ruhrgebiet an vielen Stellen die Frage, ob überhaupt eine entsprechende Erschließung vorliegt. Plötzlich meldet sich ein Interessent für eine Grundstücksfläche, zu der man bisher nur deswegen gefahren ist, um den Rasen zu mähen und das Obst von den Obstbäumen zu ernten. Plötzlich interessiert sich jemand für diese Parzelle und möchte sie bebauen. Der Eigentümer sieht eigentlich gar kein Problem, da er ja das Grundstück über Jahre durch die Nutzung des Weges hat erreichen können.
Im Grundbuch ist kein Wegerecht eingetragen. Aber es gibt doch das Gewohnheitsrecht?
Der Bundesgerichtshof hat sich am 24.01.2020 in dem Aktenzeichen V ZR 155/18 mit solch einer Problematik beschäftigen müssen.
Es wird festgestellt, dass die Möglichkeit des Entstehens von Gewohnheitsrechten anerkannt ist. Dies gilt auch für das Entstehen von Wegerechten. Er weist jedoch darauf hin, dass es rechtsfehlerhaft sei, das gewohnheitsrechtliche Wegerecht auch im Verhältnis zwischen einzelnen Grundstücksnachbarn durch eine jahrelange Übung entstehen könnten. Gewohnheitsrecht entstehe nur durch längere tatsächlich Übung, die eine dauernde und ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsnorm anerkannt wird. Außerhalb des Grundbuches könne ein Wegerecht nur über eine schuldrechtliche Vereinbarung oder als Notwegerecht unter den Voraussetzungen des § 917 BGB entstehen.
Es gibt somit nach Auffassung des Bundesgerichtshofes keine Möglichkeit, dass das Gewohnheitsrecht durch eine Grunddienstbarkeit im Sinne eines Wegerechtes entsteht.
Für potenzielle Grundstücksverkäufer wie auch Grundstückserwerber ist dies ein ganz entscheidendes Urteil. Es hat nämlich zur Folge, dass Grundstücke, die nur über Wege in der beschriebenen Art zu erreichen sind, nicht erschlossen sind.
Essen 19.06.2020
Prof. Dr. Grieger