Pflicht und Untergang des Rügerechts

Das Vergaberecht hat die Bieterrechte insbesondere für europaweite Ausschreibungen erheblich verstärkt. Ihm ist es möglich, durch entsprechende Rügen und Klagen ein Vergabeverfahren zu stoppen. Dies geht allerdings nicht unendlich lange. Es heißt nicht umsonst Rügepflicht, denn wird diese nicht innerhalb einer Frist geltend gemacht, geht die Folge, die eine Rüge auslöst, unter und damit auch das Rügerecht.

Rügen ins Blaue hinein sind unzulässige Rügen und werden nicht beachtet.

Rügen haben nur dann einen Erfolg, wenn sie rechtzeitig erfolgt sind.  

Um den Begriff Rechtzeitigkeit ranken viele  Ausführungen der Gerichte und auch der Literatur. Wann kannte der entsprechende Bieter die Vergaberechtswidrigkeit des möglichen Zuschlages oder die Vergaberechtswidrigkeit der Ausschreibung? Hat er sich der sich aufdrängenden Schlussfolgerungen, dass eine Vergaberechtswidrigkeit gegeben ist, verschlossen? Kann er in gewisser Weise eine Vergabe dadurch verzögern, dass er anfängt „zu pokern“? 

Die Rechtsprechung aber auch die Literatur gewähren dem Bieter Überlegungsfristen. Erst nach Ablauf dieser Überlegungsfrist beginnt die eigentliche Rügefrist, die nach § 160 Abs. 3 Ziffer 1 10 Tage beträgt. Diese 10 Tage werden allerdings spätestens, und zwar ohne Überlegungsfrist ausgelöst, wenn das Informationsschreiben durch den Auslober verteilt ist. Ist das Informationsschreiben verteilt, und wurde die Wartepflicht eingehalten, die 15 bzw. im elektronischen Verfahren 10 Tage beträgt, und hat in dieser 10 bis 15-Tagesfrist der Bieter es versäumt, sich zu rühren, so verliert er sein Rügerecht. Hieraus können Sie deutlich erkennen, dass die Einhaltung der Fristen im Vergabeverfahren aus Sicht des Bieters ganz entscheidend für die Wahrung seiner Rechte ist. Umgekehrt geben dem Auslober die Fristen Sicherheit, dass bei Verstreichen dieser Fristen das von ihm getätigte Auslobungsverfahren nicht mehr gestört werden kann, vgl. VK Sachsen-Anhalt IBR 2021, Seite 32, VK Bund IBR 2020 Seite 606, VK Lüneburg IBR 2020 Seite 195.  

Essen, den 07.03.2021

Prof. Dr. Grieger